Während der Corona-Pandemie lagen die Nerven bei vielen Menschen in Deutschland blank. Was dem bekannten Virologen Christian Drosten im Sommer 2022 auf einem Campingplatz bei Wesenberg (Landkreis Mecklenburgische Seenplatte) widerfuhr, beschäftigt nun ein Gericht. Auf dem Zeltplatz wurde er bei einem kurzen Privataufenthalt als «Massenmörder» und «größter Verbrecher aller Zeiten» verunglimpft und verleumdet, wie der Staatsanwalt am Dienstag am Amtsgericht Waren zum Auftakt eines Prozesses verlas. Auf der Anklagebank: Zwei Frauen, denen Beleidigung vorgeworfen wird, und ein Mann, der sich wegen öffentlich begangener Verleumdung und versuchter Nötigung verantworten muss. Alle drei leben in Berlin.
Der 49-jährige Angeklagte soll Drosten unter anderem lautstark beschimpft haben, als dieser mit seinem vierjährigen Sohn auf dem Weg zurück zu seinem Zelt war. Auch die beiden Frauen hätten den Wissenschaftler auf dem Campingplatz beleidigt und dabei öffentlich seinen Ruf schädigen wollen, so der Staatsanwalt. Eine der Angeklagten ist 51 Jahre, die zweite nannte ihr Geburtsdatum nicht öffentlich, ist aber jünger. Alle drei Angeklagten schwiegen am Dienstag. Es geht um insgesamt neun Straftaten im Zeitraum vom 25. bis zum 29. Juni 2022.
Der 49-Jährige postete laut Anklage von seinem Handy aus Fotos von Drosten ohne dessen Einwilligung in eine Gruppe im Internet-Kanal Telegram mit 250 Teilnehmern. Teilweise sei dies auch im Nachhinein aus Berlin geschehen. Die jüngere Angeklagte hatte Drosten damals vorgeworfen, er habe Kinder auf dem Gewissen. Drosten selbst war am Dienstag nicht anwesend. Der Prozess gegen die Camper aus Berlin wird nächsten Dienstag fortgesetzt. Dann soll der Virologe vermutlich als Zeuge aussagen.
Es sind aber auch zwei andere Varianten des Fortgangs dieses Verfahrens denkbar: Anwälte machen sich Hoffnung, dass Drosten seine Strafanzeige zurückzieht. «Der Zorn ist doch heute verflogen», sagte einer der Rechtsanwälte, der die Angelegenheit eher auf dem Privatrechtsweg oder in einem Mediationsverfahren zu lösen sieht. Eine zweite mögliche Variante brachte Richter Roland Traeger selbst am Ende des ersten Verhandlungstages ins Spiel: eine Verfahrenseinstellung wegen Geringfügigkeit. «Die Sache war sicher nicht schön, aber sicher auch sehr hoch eingestuft», so Traeger. Er ließ auch durchblicken, dass er sich grundsätzlich ein Ende des Verfahrens ohne Urteil vorstellen könnte.
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