Wolfszähne, aufgehende Sonnen, Blüten, Bienenwaben: Die Symbole und Muster der sorbischen Ostereier kann man nicht genug bewundern. Mit Gänsefeder und Wachs bemalt geraten sie auch in diesem Jahr zu wahren Kunstwerken.
Das niedersorbische Heimatmuseum in Dissen (Spree-Neiße) hält die Tradition der besonderen Bemaltechniken aufrecht - und die Zeit vor Ostern ist bei den Sorben und Wenden auch die Zeit des Eiergestaltens. Viele Museumsbesucher versuchten sich vor Ostern an der Wachstechnik. Dabei werden ausgepustete oder gekochte Eier mit erwärmtem Bienen- und Kerzenwachs in unterschiedlichen Farben mit einem Gänsefederkiel beträufelt - es entstehen Punkte, Striche, Blüten, Sonnen, Dreiecke. Alle Symbole haben seit Jahrhunderten eine eigene Bedeutung, wie Museumsleiterin Babette Zenker erklärt.
Ein Herz bedeute Liebe, eine aufgehende Sonne Leben, Blüten stünden für Fruchtbarkeit, drei Dreiecke übereinander seien das Symbol einer Familie. Eine schmale Linie um das Ei gezeichnet, bedeute ewiges Leben. «Sind all diese Symbole auf dem Ei vorhanden, ergibt das schon einen Heiratsantrag», meint die Museumsleiterin lächelnd. Auch das Motiv Wolfszähne gehöre auf die sorbischen Ostereier - als Schutzsymbol für Haus, Hof und Familie. Das aufgeträufelte und dann getrocknete Wachs wird später vorsichtig abgerieben, erst dann wird das Ei gefärbt. Diese Technik wurde der Museumsleiterin zufolge im 17. Jahrhundert erstmalig belegt. Damals seien magische Zeichen auf die Eier gemalt worden. Diese wurden dann über Äcker gerollt oder in die Erde eingegraben, um Fruchtbarkeit auf das Feld zu übertragen, beschreibt Zenker den alten Brauch. Das Ei ist im christlichen Glauben zudem Symbol für Auferstehung und für Leben. Erstmals erwähnt wurde der Brauch vor rund 300 Jahren. 1719 sprach Pfarrer Jakob Anton Kylian das Verzieren von Ostereiern in seiner Predigt an. Er war Vikar am Domstift zu Bautzen und gleichzeitig Kaplan an der Wendischen Kirche, der heutigen Liebfrauen-Kirche.
Den Ursprung des Eierbemalens vermuteten Wissenschaftler nach Angaben des Sorbischen Museums in Bautzen im heutigen Armenien und Kurdistan. Aus der Abgabepflicht der Zinseier entwickelte sich im 16. und 17. Jahrhundert der Brauch des Eierschenkens.
Die Tradition des Verzierens der Eier wird noch heute von ganzen Familien im sorbisch/wendischen Gebiet gepflegt, wie Zenker berichtet. Traditionell wurden am Karfreitag die kunstvollen Ostereier gefertigt - auch für die Patenkinder. Drei Eier wurden am Ostersonntag von den Paten an jedes Kind verschenkt. Die Taufzeugen sollten seine Existenz sichern, wenn Eltern früh starben, was laut der Museumsleiterin häufig vorkam.
Der Bemalkreis im Museum in Dissen ist größer geworden. Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine vor zwei Jahren sind auch ukrainische Familien zu Gast. Sie bringen die Tradition des Eierbemalens aus ihrem Land mit, da sie ebenso slawischen Ursprungs seien wie die Sorben, erklärt Leiterin Zenker.
Das Ei gilt auch in der Ukraine als Symbol für Wiedergeburt. Die Ukrainer hätten gleiche Techniken beim Bemalen, diese unterschieden sich jedoch in den Symbolen, hat Zenker beobachtet. Ukrainische Muster seien sehr gradlinig und fast geometrisch. Darüber gebe es mit den vor dem Krieg geflüchteten Frauen regen Austausch. «Und die Kinder freuen sich sehr über die Tradition bei uns, für sie ist es dann auch ein wenig Heimat»
Copyright 2024, dpa (www.dpa.de). Alle Rechte vorbehalten