Am Ende einer denkwürdigen Pressekonferenz schickte Alexander Zverev die anwesenden Journalisten und seine Fans vor den Bildschirmen mit vielen Fragezeichen ins Bett. Deutschlands bester Tennisspieler hatte gerade zum dritten Mal nacheinander gegen seinen Angstgegner Taylor Fritz aus den USA verloren und wollte eigentlich nur schlafen. Als der Weltranglisten-Zweite aber plötzlich ein Geheimnis um seine Gesundheit machte, rüttelte er alle Anwesenden im kleinen Medienraum kurz vor Mitternacht wieder wach.
Zwar gestand Zverev beim Laver Cup, dass er seit vier Tagen Fieber habe, sich nicht gut fühle und deswegen auch bei den Matches seiner Teamkollegen kaum anwesend sei. Auf konkrete Nachfrage zu seiner Fitness und ob er die bevorstehenden Turniere in Asien alle wie geplant spielen werde, antwortete der Deutsche allerdings: «Mir wurde so ein bisschen ein Maulkorb gegeben von meinem Management da hinten, von meinem Bruder und Sergej. Deswegen die Fragen bitte an die beiden. Ich darf nichts sagen anscheinend.»
Bruder Mischa und Sergej Bubka standen hinter den Journalisten, als Zverev nach dem 4:6, 5:7 gegen Fritz den Fragen in der Pressekonferenz auswich. Das Management äußerte sich allerdings auch nicht. «Es geht um die Gesundheit eines Menschen und da werden wir nichts sagen», sagte Mischa Zverev.
Am Abschlusstag des Laver Cups in Berlin feierte Zverev nach großem Kampf und über zweieinhalb Stunden Spielzeit zwar einen hochdramatischen Sieg gegen Frances Tiafoe. Beim 6:7 (5:7), 7:5 und 10:5 schien der Deutsche aber trotzdem nicht in Vollbesitz seiner Kräfte zu sein. Nur dank der Unterstützung der Heimfans mobilisierte Zverev seine letzten Energiereserven und verwandelte die mit 13.500 Zuschauern gefüllte Uber Arena in einen Hexenkessel.
Bluttests sorgen nicht für Klarheit
Schon während der Partie von Carlo Alcaraz am Nachmittag hatte Zverev am Spielfeld heftig gehustet. Im eigenen Match verschlechterte sich der Zustand dann. Zverev ging zwischen den Ballwechseln in die Knie oder stützte sich auf seinen Schläger. Er bekam offenbar schwer Luft. Mitte des zweiten Satzes rief er den Arzt auf den Platz. «Ich war diese Woche ein bisschen krank. Meine Herzfrequenz war ziemlich hoch», berichtete der Olympiasieger von Tokio später nach der verpassten Revanche gegen den US-Amerikaner.
Seit Monaten ist der French-Open-Finalist nicht hundertprozentig fit. Vor dem Australian-Open-Halbfinale im Januar hatte er Fieber. Bei Olympia klagte er über Schwindel, berichtete, er habe zeitweise vier Bälle gesehen. Auch beim anschließenden Aus in Montreal war der Deutsche angeschlagen, hustete laut. Bluttests sorgten nach Angaben Zverevs nicht für Klarheit über die Ursache der Beschwerden. Nach Informationen der «Bild»-Zeitung suchte Zverev in dieser Woche erneut einen Arzt auf.
Ob der gebürtige Hamburger seine Saison wie geplant beenden kann, ist unklar. Eigentlich sollte Zverev, der 2022 seine langjährige Diabetes-Erkrankung öffentlich gemacht hatte, nach dem Laver Cup nach China reisen, wo die wichtigen Turniere in Peking und Shanghai anstehen. Nach dem hochdotierten Turnier in Paris stehen auch die ATP Finals und die Endrunde im Davis Cup noch im Kalender.
Weniger spielen keine Option
Über Zverevs tatsächlichen Zustand und die Gründe für die gesundheitlichen Rückschläge kann nur spekuliert werden. Liegt es am vollgepackten Turnierkalender und den fehlenden Ruhepausen für die Profis? Die Saison sei unnötig lang, sagte Zverev und machte der ATP Vorwürfe: «Die ATP interessiert sich nicht für unsere Meinung. Es ist ein Geldgeschäft».
Die Saison beginnt für die meisten Profis nach Weihnachten mit dem United Cup in Australien und geht mitunter bis zu den Davis-Cup-Finals Ende November. Neben den vier Grand-Slam-Turnieren sind die Masters 1000er Events verpflichtend für die Spieler. «Wenn du ein ehrgeiziger, junger Mensch bist, der das Gefühl hat, noch nicht alles erreicht zu haben, ist das keine Option», antwortete Zverev auf die Frage, ob er weniger spielen wolle.
Anschließend lieferte sich der Deutsche einen verbalen Schlagabtausch mit einem Journalisten über die Sinnhaftigkeit von Spielerstreiks im Tennis. «Wir dürfen nicht boykottieren. Wir bekommen eine Geldstrafe, wenn wir die Turniere nicht spielen», sagte Zverev. Dann verließ er den Raum. Dicht gefolgt von seinem Management.
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