Der Katastrophenschutz-Forscher Peter Bradl erwartet, dass Schlüsse aus der wegen Mobilisierungsschwierigkeiten beendeten Katastrophenschutzübung im Berliner Bezirk Lichtenberg gezogen werden. «Trotz Abbruch der Übung konnten in jedem Fall Erkenntniswerte gewonnen werden», sagte Bradl der Deutschen Presse-Agentur.
Die unangekündigte Katastrophenschutzübung hatte am Samstag Schwächen beim spontanen Einsatz von Hilfsorganisationen deutlich gemacht. Nach mehrstündigen Verspätungen in der Reaktion auf einen angenommenen Chemieunfall mit Dutzenden Toten wurde der Praxistest schließlich abgebrochen.
Experte sieht Verhalten bei Übungsalarmierung kritisch
«Nachdenklich stimmt der Umstand, dass die Alarmierung und das Ausrücken der Katastrophenschutzeinheiten der Hilfsorganisationen in einem Übungsszenario einer "Freigabe" zu unterliegen scheinen – die nicht unmittelbar durch die anordnende Behörde erteilt werden kann», sagte Bradl. Aufgrund von Erfahrungen aus Reallagen und Übungen der letzten Jahre sei er überzeugt, dass die hierdurch erkannten Schwierigkeiten «zielführend aufgearbeitet werden».
Bradl war am Wochenende als Beobachter bei der Übung. Er leitet das Institut für Rettungswesen, Notfall‐ und Katastrophenmanagement der TH Technische Hochschule Würzburg-Schweinfurt und ist auch als Gutachter für das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) tätig.
Angenommene Einsatzlage: Massenanfall an Verstorbenen
Mit der bislang so nicht geübten Einsatzlage hatten die Behörden die Handlungsfähigkeit bei einem Szenario «Massenanfall an Verstorbenen» auf den Prüfstand gestellt. In dem Übungsszenario waren Helfer mit der Herausforderung konfrontiert, dass es bei einem chemischen Unfall knapp 70 Betroffene gibt, von denen am Ende mehr als die Hälfte stirbt.
Es hatte Schwierigkeiten gegeben, freiwillig organisierte Hilfsdienste ausreichend zu mobilisieren. Teils waren sie in anderen Einsätzen gebunden - darunter die Betreuung eines Fußballspiels der Zweiten Bundesliga. Es gab am Rande der Übung Streit, später Diskussion um die Vorbereitung.
Bradl sagte, die Übung sei von langer Hand durch den Verantwortlichen der Bezirksverwaltung gut vorbereitet, im Februar der Innenverwaltung angezeigt sowie im März im Innenausschuss angekündigt worden. «Inhaltlich wurde ein hochrelevantes und in der Abarbeitung anspruchsvolles Szenario beplant», sagte er. Bradl betonte die Bedeutung von Übungspraxis: «Hierbei sind angekündigte Übungen ebenso wichtig wie unangekündigte, da letztere nach meiner Erfahrung vergleichbar mit einem Realeinsatz sind.»
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