Nach dem Durchbruch in der Tarifschlichtung bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) kommt es heute noch einmal zu Verhandlungen zwischen dem Unternehmen und der Gewerkschaft Verdi. Dabei wird die Arbeitgeberseite auf Basis des Schlichtungskompromisses ein Angebot vorlegen. Welche Hürden müssen noch genommen werden? Ein Überblick.
Könnte es noch zu Streiks im Berliner Nahverkehr kommen?
Das ist unwahrscheinlich. Zwar gibt es formell noch keinen Tarifabschluss und die Gewerkschaftsmitglieder haben sich kürzlich in einer Urabstimmung für unbefristete Arbeitskämpfe ausgesprochen. Aber die Verdi-Verhandler stehen hinter dem im Schlichtungsverfahren gefundenen Kompromiss. Dieser dürfte in der Verhandlungsrunde bestätigt werden. Dann müssen die Verdi-Mitglieder noch abstimmen. Sollten sie wider Erwarten das BVG-Angebot ablehnen, scheitert die Einigung. Dann wären auch wieder Streiks denkbar.
Weshalb könnten die Verhandlungen doch noch scheitern?
Möglich wäre, dass die BVG bei ihrem Angebot klar vom Schlichtungsergebnis abweicht oder gar keine neue Offerte vorlegt. In diesem Fall dürfte Verdi die Verhandlungen erneut für gescheitert erklären. Auch dann sind wieder Streiks möglich. Das ist aber ebenfalls unwahrscheinlich. BVG-Personalvorständin Jenny Zeller-Grothe sagte am Montag bei der Verkündung des Schlichterspruchs: «Wir haben ein gutes Ergebnis auf dem Tisch liegen.»
Wie geht es im wahrscheinlichsten Fall jetzt weiter?
Die BVG wird aller Voraussicht nach ein Angebot vorlegen, das die Punkte aus der Schlichtung übernimmt. Die Verdi-Tarifkommission wird das Angebot dann den eigenen Mitgliedern zur Abstimmung vorlegen. Diese haben dann zwei Optionen: Annahme des Angebots sowie Ablehnung und Vollstreik. Diesem müssten wie schon bei der Urabstimmung mindestens 75 Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer zustimmen. Für die Annahme genügen also ein Viertel der Stimmen. Abschließend bewertet die Tarifkommission das Ergebnis. Stimmen genügend Mitglieder zu, ist der Tarifkonflikt endgültig beigelegt.
Wie sieht das Ergebnis der Schlichtung aus?
Kern des Kompromisses, der unter Vermittlung der früheren Ministerpräsidenten Matthias Platzeck (SPD, Brandenburg) und Bodo Ramelow (Linke, Thüringen) zustande kam, ist ein Plus von insgesamt 430 Euro im Monat. Die Laufzeit beträgt zwei Jahre, rückwirkend zum Januar 2025. Die erste Erhöhung erfolgt mit 380 Euro zum 1. Juni dieses Jahres. Die weiteren 50 Euro zusätzlich folgen ein Jahr später.
Für die ersten fünf Monate des Vertrags ist eine Einmalzahlung in Höhe von 1.500 Euro vereinbart. Außerdem sollen Fahrdienst- und andere Zulagen sowie das Weihnachtsgeld angehoben werden. Bis 2027 sollen sich beide Seiten zudem auf ein Modell einigen, dass auf Basis einer 35-Stunden-Regelwoche die Beschäftigten ihre Arbeitszeit freier wählen können.
Verdi hatte ursprünglich unter anderem eine Erhöhung des Grundgehalts von 750 Euro gefordert bei einer Laufzeit von zwölf Monaten.
Wie lange haben Fahrgäste Ruhe, sollte es zum Abschluss kommen?
Der neue Tarifvertrag soll bis Ende nächsten Jahres gelten. Weitere Warnstreiks bei der BVG wären somit zunächst ausgeschlossen - allerdings nicht bis 2027. Denn Ende dieses Jahres läuft der Manteltarifvertrag aus, den BVG und Verdi im Frühjahr 2024 abgeschlossen haben. Er regelt unter anderem die Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten. Ab Januar 2026 wären also wieder Arbeitskämpfe bei den Berliner Verkehrsbetrieben möglich. Zunächst könnten Fahrgäste und Unternehmen bei einem Tarifabschluss aber mehrere Monate durchatmen.
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