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Avatare und KI in der deutschen Filmbranche: Chancen und Herausforderungen

Sven Bliedung von der Heide, Chef vom Volucap-Studio in Babelsberg, zeigt einen 3D-Avatar. / Foto: Jens Kalaene/dpa
Sven Bliedung von der Heide, Chef vom Volucap-Studio in Babelsberg, zeigt einen 3D-Avatar. / Foto: Jens Kalaene/dpa

Avatare von Darstellern tauchen in Liebesfilmen, Komödien oder Actionstreifen auf dank Künstlicher Intelligenz. Wie beeinflusst dies die deutsche Filmwelt und welche Herausforderungen bringt es mit sich?

Es klingt wie Science-Fiction: Avatare von Darstellern tauchen in Liebesfilmen, Komödien oder Actionstreifen auf. In Potsdam-Babelsberg ist das schon ein Stück weit Realität - zumindest im sogenannten Volucap-Studio. Hier werden Menschen eingescannt, deren digitale Klone dann etwa als Hintergrundkomparsen angeboten werden. Zentral dabei: Künstliche Intelligenz (KI). 

Wegen der rasant fortschreitenden Technologie hatten Schauspieler und Drehbuchautoren in Hollywood im vergangenen Jahr gestreikt. Auch in Deutschland ist KI in Tarifverhandlungen aktuell ein großes Thema. Wo steht da die deutsche Filmwelt?

KI bei «Matrix»-Blockbuster

Fragt man Sven Bliedung von der Heide, spricht der Gründer des Volucap-Studios in Babelsberg - ähnlich wie bei der Digitalisierung - von einer «KI-sierung» der Branche. KI kam hier schon bei Szenen für den Hollywood-Blockbuster «The Matrix Resurrections» (2021) mit Keanu Reeves zum Einsatz. Damals hatte das Team um Bliedung von der Heide extra ein Unterwasser-Studio für Aufnahmen installiert und auch sogenannte Deepfakes von Schauspielern erstellt.

Die Arbeit im Volucap funktioniert dabei so: 42 Kameras scannen von allen Seiten eine Person ein - das Gesicht, ihre Bewegungen und den Rest des Körpers. Aus den Bilddaten wird mittels KI dann ein 3D-Avatar des Darstellers generiert. Für Bliedung von der Heide ein entscheidender Schritt für die Zukunft der Branche. Viele Filmschaffende blicken aber auch mit Sorge auf diese Entwicklung. 

Digitale Avatare machen Schauspielern Sorgen

Daher wollen sie in Tarifverhandlungen mit der Gewerkschaft Verdi und der Produktionsallianz den Einsatz von KI mitgestalten. Ziel sei ein Tarifvertrag mit kürzeren Laufzeiten und natürlich die Arbeit von Filmschaffenden zu erhalten, sagt Heinrich Schafmeister vom Bundesverband Schauspiel (BFFS). Er sitzt als BFFS-Bevollmächtigter bei den Verhandlungen mit am Tisch. «Wir gehen momentan die Fälle durch, die durch KI eintreten könnten – sowohl für Filmschaffende vor als auch hinter der Kamera.» 

Es stellen sich laut dem Schauspieler dabei immer die gleichen Fragen: «Wollen wir das überhaupt? Unter welchen Bedingungen? Was ist das für ein genauer Fall? Wie sieht die Einwilligung aus? Wie sieht die Vergütung aus?» Grob gesagt geht es um vier Bereiche, die arbeitsrechtlich geregelt werden sollen, unter anderem die der digitalen Replikate - also Avatare. Für Schauspieler sei dies vom Grundvorgang her eine «höchst problematische Geschichte», sagt Schafmeister. Schauspieler wollten nicht zu Marionetten von KI degradiert werden.

KI verändert Synchronbranche

Bei vielen Kolleginnen und Kollegen herrschten große Ängste und Ungewissheiten, wie der 67-Jährige sagt. «Wir versuchen jetzt im Bereich Film/Fernsehen sozusagen vor die Welle zu kommen, aber im Synchronbereich sind wir schon hinter der Welle.» Denn dort werden menschliche Akteure seinen Angaben zufolge immer mehr ersetzt. «Die Entwicklung in der Synchronbranche triggert alle anderen, denn Schauspieler machen im Prinzip ja auch alles: Sie stehen auf der Bühne, drehen Filme, synchronisieren», so Schafmeister. 

Bliedung von der Heide und die Produktionsallianz können die Sorgen nachvollziehen, wie sie sagen. «Aber wer will bestreiten, dass in der Nutzung Künstlicher Intelligenz viele Chancen liegen? Es muss darum gehen, Rahmenbedingungen zu gestalten und die Kompetenzen der Menschen in den Mittelpunkt zu rücken», findet Björn Böhning, Vorstandssprecher der Produktionsallianz, die Interessen von Hunderten Produktionsfirmen in Deutschland vertritt.

Man müsse sich das Gestalten zutrauen. Der Ansicht von Bliedung von der Heide zufolge werden KI-Systeme im Film in den USA oder China ohnehin entstehen. Da wäre es schade, wenn Deutschland das Schlusslicht bilde.

Produktionsfirmen nutzen KI schon in vielen Bereichen

Produktionsfirmen hierzulande sehen in Künstlicher Intelligenz laut eigenen Angaben Vorteile und nutzen sie schon auf verschiedenen Ebenen. Gleichzeitig stünden ethische und rechtliche Herausforderungen im Fokus. So seien urheberrechtliche Fragen und der Schutz der kreativen Leistung zentral und gehörten in den Kern der Bewertung von KI-Nutzungen, teilt ein Sprecher des Filmunternehmens UFA mit. 

Dort wird KI demnach vor, während und nach der Produktion verwendet. Tools helfen zum Beispiel dabei, in der Postproduktion Nummernschilder unkenntlich oder im Schnitt die Nachbearbeitung schneller zu machen. Auch bei Constantin Film wird KI in allen Bereichen und auf allen Ebenen getestet, wie eine Sprecherin mitteilt. Innerhalb der Bavaria Film Gruppe probiert eine Arbeitsgruppe neue KI-Tools aus und bewertet diese. Ziel sei es, so Marcus Ammon, Geschäftsführer Content bei Bavaria Fiction, durch KI-Technologien die Fähigkeiten von Mitarbeitern zu ergänzen und zu verstärken, statt sie zu ersetzen.

Workshops für Drehbücher und KI stark nachgefragt

Einen ähnlichen Ansatz hat Taç Romey. Er ist Professor für Serielles Erzählen an der Hochschule für Fernsehen und Film in München und gibt dort Workshops, wie KI beim Schreiben von Drehbüchern helfen kann. Seine Kurse seien sehr stark nachgefragt, auch von größeren Produktionshäusern. Romeys Ansatz: «Wir treten mit der KI in einen Dialog, in einen Pingpong». Er nehme nie eins zu eins die generierten Vorschläge, sondern lasse sich davon nur inspirieren. 

KI könne in vielerlei Hinsicht bei Drehbüchern helfen, etwa bei der sogenannten Logline, mit der eine Serienidee erzählt wird. Es gebe mittlerweile professionelle Programme mit unterschiedlichen Modellen, die beim Schreiben unterstützen könnten, so der Professor. Drehbuchautorinnen und -autoren könne er nur raten, sich mit KI auseinanderzusetzen. 

«Es wird wichtiger und wichtiger, dass man die Tools beherrscht und weiß, wie sie funktionieren und sie einsetzen kann.» Schauspieler Schafmeister sieht das ähnlich. Man müsse als Branche versuchen, die Entwicklung von KI mitzugestalten. «Keiner von uns kann in die Glaskugel schauen, wie sich das Ganze entwickelt. Doch wenn wir nur neben der Glaskugel sitzen und die Hände in den Schoß legen, bringt uns das nicht weiter.»

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