Das Berliner Abgeordnetenhaus und der Senat haben den Mut und die Courage vieler DDR-Bürger in der Wendezeit 1989/90 gewürdigt. «Weder der Mauerfall noch die Wiedervereinigung sind zwangsläufige Ereignisse der Geschichte, die sich einfach so ergaben», sagte die Präsidentin des Landesparlaments, Cornelia Seibeld, bei einer Gedenkstunde zum 35. Jahrestag des Mauerfalls im Plenarsaal. Der Fall der Mauer sei vielmehr von den Menschen auf den Straßen herbeigeführt worden, die die vielfältigen Grenzen hätten überwinden wollen, die die SED-Diktatur ihnen gesetzt habe.
«Der Freiheitswille der Menschen in der DDR war unverzichtbar», sagte die CDU-Politikerin mit Blick auf die friedliche Revolution. Hinzu seien äußere Einflüsse wie Perestroika und Glasnost in der Sowjetunion oder die Grenzöffnung in Ungarn gekommen. «Es hätte auch anders kommen können», so Seibeld rückblickend. «Der Mauerfall war ein Geschenk und ein besonders glücklicher Umstand.»
Wegner spricht von «Glückstag»
Nach Einschätzung des Regierenden Bürgermeisters Kai Wegner (CDU) können die Menschen auch heute aus den Ereignissen vor 35 Jahren lernen. «Wir dürfen uns niemals einschüchtern lassen. Wir müssen für unsere Freiheit, für unsere Rechte, für unsere Demokratie eintreten», sagte er bei der Veranstaltung. Dafür seien die Frauen und Männer von 1989 Vorbilder.
Den Mauerfall würdigte Wegner als «Glückstag» für die Menschen in Berlin, in ganz Deutschland und darüber hinaus. «Heute wissen wir aber auch, dass in den Jahren nach der Wiedervereinigung nicht alles gut lief, dass das Zusammenwachsen und die Transformation gar nicht so einfach waren.» Gerade den Menschen in Ostdeutschland sei viel abverlangt worden. «Und natürlich sind auch Fehler gemacht worden», so Wegner, etwa beim Umbau der Wirtschaft oder im Umgang mit ostdeutschen Biografien.
DDR-Bürgerrechtler mit Mahnung
Der frühere DDR-Bürgerrechtler und spätere CDU-Politiker Rainer Eppelmann schlug in seiner Festrede einen weiten Bogen von den ersten Massendemonstrationen im Oktober 1989 über den Mauerfall im November 1989, die freien Wahlen in der DDR im März 1990 bis zur deutschen Einheit im Oktober 1990. Er verwies gleichzeitig auf heutige Gefahren für die Demokratie. Nötig sei deshalb, gerade jungen Menschen den Unterschied zwischen Demokratie und Diktatur zu erklären.
Abgeordnete diskutieren
Nach der Feierstunde mit Gästen aus Politik und Gesellschaft kam das Abgeordnetenhaus zu seiner regulären Sitzung zusammen, bei der es in einer Debatte ebenfalls um das Mauerfall-Jubiläum ging. «Der Mauerfall und die Einheit waren für mich das Glück meines Lebens. Für mich und meine Generation hat sich die Welt verändert», sagte der SPD-Politiker und frühere Senator Andreas Geisel. Die Linke-Fraktionsvorsitzende Anne Helm sagte: «Wenn wir über den Mauerfall sprechen und über die Wiedervereinigung, sollten wir auch darüber reden, dass dieser Prozess noch nicht abgeschlossen ist.»
Nach Einschätzung von Kultursenator Joe Chialo (CDU) ist es wichtig, immer wieder an den Mut der Menschen in der DDR zu erinnern. Gedenkorte wie das frühere Stasi-Gefängnis in Hohenschönhausen müssten daher auch für die in Zukunft bewahrt werden.
Großes Programm zum Mauerfall-Jubiläum
In Berlin wird an diesem Wochenende auf vielfältige Weise an den Mauerfall erinnert. Ein Highlight ist eine große Plakat-Installation entlang des ehemaligen Mauerverlaufs. Auf einer vier Kilometer langen Strecke, die von der Invalidenstraße über den Reichstag, das Brandenburger Tor und den Potsdamer Platz bis zur Axel-Springer-Straße reicht, werden Demo-Schilder von früher und 5000 neu gestaltete Plakate aufgestellt. Letztere wurden von Menschen unter dem Motto «Haltet die Freiheit hoch!» gestaltet.
Bereits am Freitag trifft Wegner internationale und nationale Bürgerrechtler vor dem Brandenburger Tor. Am Samstagvormittag steht die zentrale Gedenkveranstaltung an der Gedenkstätte Berliner Mauer mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Wegner, Bürgerrechtlern und Jugendgruppen aus dem In- und Ausland an.
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