Der Verfassungsschutz befürchtet eine Radikalisierung von in Brandenburg lebenden Islamisten aus dem Nordkaukasus. Meist handelt es sich um Tschetschenen, die dem extremistischen Dschihadismus anhängen, einer radikalen Form des Islamismus. Die Sicherheitsbehörde will zum Schutz vor möglichen Anschlägen die Gruppierung «Islamistische Nordkaukasische Szene» (INS) künftig besser analysieren und auch auf Präventionsangebote setzen.
Vor kurzem erst vereitelte Frankreich Pläne für einen islamistischen Terroranschlag auf ein Fußballspiel während der Olympischen Spiele in diesem Sommer, gefasst wurde ein 18 Jahre alter Tschetschene.
Im vergangenen Jahr war ein 16 Jahre alter Tschetschene in Wittstock/Dosse festgenommen worden, weil er zusammen mit einem deutsch-afghanischen Teenager aus Nordrhein-Westfalen über das Internet einen Terroranschlag auf einen Weihnachtsmarkt geplant haben soll. Konflikte gab es laut Verfassungsschutz in Brandenburg auch in Neuruppin, Prenzlau, Cottbus und im Kreis Dahme-Sperrwald. Die Szene gilt als überregional gut vernetzt, ist aber stark abgeschottet.
Salafistische Online-Prediger nehmen Einfluss
Salafistische Prediger, die in Online-Netzwerken und bei Tiktok auftreten, gewinnen zunehmenden Einfluss auf junge Anhänger, wie das Innenministerium in Potsdam am Montag schilderte. «Dies birgt die Gefahr einer unkontrollierten dynamischen Radikalisierung», sagte Verfassungsschutzchef Jörg Müller. Durch «islamistische Influencer» sei in Brandenburg mit einem zunehmenden Personenpotenzial dieser Islamisten zu rechnen, hieß es. Außerdem versuche das Regime um den kremltreuen tschetschenischen Machthaber Ramsan Kadyrow Einfluss zu nehmen.
Die islamistische nordkaukasische Szene spielt in Brandenburg eine wichtige Rolle im Spektrum islamischer Extremisten insgesamt, deren Zahl laut Innenministerium mit 220 Personen einen Höchststand erreicht hat. Salafismus und Dschihadismus bildeten den geistigen Nährboden dafür, dass sich Einzeltäter schnell radikalisierten, hieß es. Eine dschihadistische Gruppe ist vor allem die Terrormiliz Islamischer Staat (IS).
Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) sagte: «In Brandenburg leben hoch radikalisierte nordkaukasische Islamisten, darauf müssen wir dringend reagieren.» Laut Verfassungsschutz gibt es in Berlin-Brandenburg rund 16.000 Tschetschenen, davon gehören in Brandenburg rund 80 der islamistischen Szene an.
Sicherheitsbehörden wollen Gefahren besser erkennen
Einzeltäter seien eine enorme Herausforderung für Sicherheitsbehörden, sagte er Minister. «Sie sind gefährlich, schwer zu identifizieren und können erheblichen Schaden anrichten», so Stübgen. Die konsequente Abschiebung von schweren Straftätern sei notwendig, greife aber zu kurz.
«Unsere Anstrengung muss der tiefgründigen Analyse islamistischer Szenen gelten. Wenn wir das Umfeld potenzieller Täter frühzeitig identifizieren, können wir durch präventive Maßnahmen dazu beitragen, dass schlimme Straftaten verhindert werden.» Die Integration sei das wichtigste Gegenmittel gegen Radikalisierung, so Stübgen.
Aufgrund der Erkenntnisse aus vergangenen Jahren entwickelte der Verfassungsschutz eine Analysemethode anhand eines Systems von acht Gefahrenfeldern, die bei der Einschätzung von Islamisten helfen sollen.
«Wir werden 80 Personen nicht aus der Szene raus kriegen, aber vielleicht schaffen wir es, dass daraus nicht 160 werden», meinte Verfassungsschutzchef Müller.
Copyright 2024, dpa (www.dpa.de). Alle Rechte vorbehalten