Das Kunstblut der letzten Szene wurde weggewischt, ein Bett, ein Sofa, eine Minibar, sogar eine Zimmerpflanze auf die ansonsten leere, große Bühne vor dem Zuschauersaal im Berliner Ensemble gestellt, darüber ein Kronleuchter. «Es hat mit der Freundschaft zum Theater zu tun», erklären Stefanie und Christoph Siegmann, warum sie 1.500 Euro für eine Übernachtung auf der Theaterbühne geboten haben. Sie seien schockiert gewesen von den Kürzungen in der Berliner Kultur. Weil sie «begeisterte Theaterfreunde» seien, hätten sie die Aktion unterstützen wollen. Für Berlin sei die Kulturszene wichtig, ohne sie sei das nicht das Berlin, in dem sie leben wollten.
Eine Flasche Wein hatten Stefanie und Christoph Siegmann eingepackt, Bettlektüre lag neben den Nachttischlampen bereit - natürlich Bertolt Brecht, von dem das Theater einst gegründet wurde. Wegen des Brandschutzes musste der eiserne Vorhang heruntergelassen werden, das Raumgefühl habe sich dadurch komplett verändert, erzählt Stefanie Siegmann am Morgen. «Die Öffnung zum Zuschauerraum fehlte tatsächlich sehr.» Es habe eine Weile gedauert, bis sie zur Ruhe gekommen seien.
Wärmflaschen und Tee waren nicht nötig, es sei nicht kalt geworden. «Jeder Raum hat seine eigenen Geräusche. Es knarrt und knackt und summt und brummt», erzählt Stefanie Siegmann. «Also schon alleine auch von der Technik im Raum. Von den alten Böden und so.» Und es sei tatsächlich eine Nacht gewesen, «die wir nie vergessen werden», ergänzt ihr Mann. Das Paar ist seit 36 Jahren zusammen und seit 28 Jahren verheiratet.
Ein Gute-Nacht-Gedicht
Neben der Übernachtung auf der Bühne gehörten auch der Theaterbesuch am Abend, ein Gute-Nacht-Gedicht von Marie Luise Kaschnitz, vorgetragen von der Schauspielerin Bettina Hoppe, und ein Frühstück in der Kantine des Theaters mit dem Intendanten Oliver Reese zum Übernachtungspaket. «Das Frühstück - hervorragend», sagt Stefanie Siegmann am Morgen, «also besser als in jedem Fünf-Sterne-Hotel». Auch eine Führung hinter die Kulissen gab es noch am Abend, inklusive eines Blickes von unten auf die berühmte Drehscheibe. Extra Schalter wurden gebastelt, damit die Gäste das Licht sicher abschalten konnten.
Es handele sich um eine einmalige Aktion, sagt Intendant Reese, «ein bisschen zwischen Performance und einem ironischen Gruß in Richtung Politik». Es sei ein Reflex darauf, dass ihnen der Rat gegeben wurde, wirtschaftlicher zu werden. «Wir spielen bereits 600 Vorstellungen im Jahr. Wir haben schon 95 Prozent Platzausnutzung. Wir machen 30 internationale Gastspiele. Viel mehr ist nicht rauszuholen.» Es dürfe nicht in Vergessenheit geraten, dass die Kultur von den Kürzungen so viel stärker betroffen sei, als andere Bereiche. «Es ist eine für uns alle charmante Aktion. Aber der Hintergrund ist ernst.» Es werde weitere Aktionen geben, kündigte Reese an.
Insgesamt muss die Berliner Kultur im Haushalt 2025 rund 130 Millionen Euro einsparen, knapp zwölf Prozent ihres eigentlich angedachten Budgets. Das Berliner Ensemble sei 2025 mit Einsparungen von einer Million Euro betroffen, sagt Reese. Von Kürzungen im Gesamtumfang von drei Milliarden Euro sind auch zahlreiche andere Bereiche in der Stadt betroffen.
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