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AfD-Sperrminorität in Thüringen könnte Justiz lahmlegen

Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt blickt mit Sorge auf die Stärke der AfD in ihrer Heimat Thüringen (Archivbild). / Foto: Michael Kappeler/dpa
Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt blickt mit Sorge auf die Stärke der AfD in ihrer Heimat Thüringen (Archivbild). / Foto: Michael Kappeler/dpa

Für die AfD ist bei den Wahlen in Ostdeutschland keine Mehrheit in Sicht. Trotzdem könnte die rechte Partei den Rechtsstaat blockieren, sagt die Bundestagsvizepräsidentin.

Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt befürchtet, dass die AfD nach Wahlerfolgen in Ostdeutschland wichtige Entscheidungen blockieren und die Justiz lahmlegen könnte. So könnte es kommen, wenn die Rechtsaußenpartei ein Drittel der Mandate im Landesparlament bekäme, eine sogenannte Sperrminorität, sagte die Grünen-Politikerin der Deutschen Presse-Agentur. Sie bezog dies insbesondere auf ihr Heimatland Thüringen. «Vom Wahlausgang in Thüringen hängt für die Demokratie viel ab.»

In Thüringen wird im September ein neuer Landtag gewählt, ebenso wie in Sachsen und Brandenburg. Die AfD ist in allen drei Ländern in Umfragen die Nummer eins. Während sie in Brandenburg zuletzt bei um die 24 Prozent lag, waren es in Thüringen und Sachsen um die 30 Prozent. Eine Sperrminorität von einem Drittel der Landtagsmandate ist bei solchen Werten denkbar, wenn mehrere kleine Parteien knapp an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern. In Thüringen könnte das die Grünen treffen, die derzeit in Umfragen bei etwa vier Prozent liegen, aber auch die FDP.

Im Blick: der Richterwahlausschuss

«Je weniger Parteien im Landtag sind, desto mehr Stühle kann die AfD dort besetzen», sagte Göring-Eckardt. «Die Grünen im Parlament sind die Absicherung gegen Rechtsaußen.» Wichtig sei dies zum Beispiel für die Justiz. «Die Justiz steht in Thüringen 35 Jahre nach der friedlichen Revolution vor einem Generationenwechsel. Viele Richter und Staatsanwälte gehen in den kommenden Jahren in Pension.» 

Über die Nachfolge entscheide der Richterwahlausschuss, der zum Großteil vom Landtag bestimmt werde, und zwar mit Zwei-Drittel-Mehrheit. Mit einer Sperrminorität könne die AfD Nachbesetzungen verhindern. «Dann kann der Rechtsstaat nicht mehr richtig funktionieren», sagte Göring-Eckardt. «Das ist kein abstraktes Problem, sondern kann jede Thüringerin und Thüringer betreffen.» Auch für eine Auflösung des Landtags ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit nötig.

AfD setzt auf Gestaltungsmacht

Thüringens AfD-Co-Chef Stefan Möller sagte, eine Sperrminorität bedeute für die AfD politische Gestaltungsmacht, «weil Sie dann nicht mehr ignoriert werden können. Man muss mit Ihnen reden, wenn man zu einem Ergebnis kommen möchte». Damit würde seiner Meinung nach die «bisherige Ausgrenzungspolitik» der anderen Parteien scheitern. «Und dass das Frau Göring-Eckardt stört, das kann ich mir gut vorstellen», sagte Möller der dpa in Erfurt.

Möller warf der Grünen-Politikerin eine «groteske Verkehrung der Tatsachen» vor. Es sei politische Praxis der vergangenen zehn Jahre zu versuchen, die AfD herauszuhalten, obwohl sie rechtlichen Anspruch auf bestimmte Posten habe.

Die Thüringer AfD wird vom Landesverfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft und beobachtet.

Vorwürfe einer Cancel Culture «geschichtsvergessen»

Die Grünen haben nicht nur in Thüringen, sondern auch in Sachsen und Brandenburg schwache Umfragewerte. Im Wahlkampf üben AfD und das Bündnis Sahra Wagenknecht scharfe Kritik an grüne Klimaschutzprojekten, darunter der Ausbau von Ökostrom, der Umstieg auf Wärmepumpen zum Heizen und die Abkehr von Autos mit Verbrenner. Göring-Eckardt sagte, die Grünen würden den Klimaschutz trotzdem weiter in den Mittelpunkt stellen.

Vorwürfe des BSW, die Grünen seien Treiber einer «autoritären Cancel Culture», wies Göring-Eckardt zurück: «Die Vorwürfe einer neuen Diktatur oder Cancel Culture sind völlig geschichtsvergessen. Man kann in unserem Land heute doch alles sagen, aber man muss eben damit rechnen, dass jemand anderes eine andere Meinung hat. Vor 40 Jahren ging das in Thüringen nicht. Da haben wir ständig riskiert, ins Gefängnis zu kommen.»

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