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Kritik an Linkspartei wegen Debatte um Antisemitismus

Brychcy will Parteichefin bleiben (Archivbild) / Foto: Annette Riedl/dpa
Brychcy will Parteichefin bleiben (Archivbild) / Foto: Annette Riedl/dpa

Nach dem Paukenschlag mehrerer prominenter Parteiaustritte ist Berlins Linke um Schadensbegrenzung bemüht. Von außen kommt Kritik.

Nach dem Parteiaustritt von fünf prominenten Politikern wegen Streits um Antisemitismus muss sich die Berliner Linke erst einmal schütteln. Der Schock über den spektakulären Schritt der früheren Senatoren Elke Breitenbach, Klaus Lederer und Sebastian Scheel, des früheren Fraktionsvorsitzenden Carsten Schatz sowie des Rechts- und Haushaltsexperten Sebastian Schlüsselburg sitzt tief. Gleichzeitig gibt es Signale, dass alle fünf weiter in der Abgeordnetenhaus-Fraktion mitarbeiten können. Von außen muss sich die Linke Kritik gefallen lassen. 

Was war passiert? 

Am 11. Oktober war es bei einem Linke-Landesparteitag zu einer heftigen Auseinandersetzung über einen Antrag zur Ablehnung von Antisemitismus gekommen, der auch Judenhass von links thematisierte. Nachdem es keine Einigung gegeben hatte, verließen etliche Delegierte, die den Antrag unterstützten, die Versammlung. Darunter waren Lederer und die Bundestagsabgeordnete Petra Pau. Am Mittwoch erklärten die fünf bekannten Landespolitiker um Lederer ihren Austritt.  

Zur Begründung hieß es, für die Linke seien eine Reihe inhaltlicher und strategischer Klärungsprozesse unabdingbar, um künftig wieder erfolgreich zu sein. Seit einiger Zeit sei es ihnen immer weniger möglich, sich im Berliner Landesverband für ihre inhaltlichen Positionen einzusetzen, so die Politiker. Dies hätten sie bei einer klaren Positionierung zum Antisemitismus erlebt, aber zum Beispiel auch bei der Frage der Solidarität mit der von Russland angegriffenen Ukraine. 

Wie geht es jetzt weiter?  

Die Vorsitzende Franziska Brychcy bekräftigte, dass die Partei ihren schon begonnenen Weg der Aufarbeitung des Parteitags und des Dialogs unter anderem mit der jüdischen Gemeinschaft fortsetzen und ein Maßnahmenpaket gegen Antisemitismus erarbeiten wolle. Die Linke habe auch eine klare Beschlusslage gegen Antisemitismus. 

In einer am Dienstag vom Landesvorstand verabschiedeten Resolution heißt es: «Wir stehen entschlossen gegen jeden Antisemitismus. Dies ist in der Breite der Partei Konsens. Für uns gehören der Kampf gegen Antisemitismus und der Kampf gegen Rassismus zusammen.»    Die Solidarität der Partei mit Mitgliedern ende aber dort, «wo das Massaker des 7. Oktober als Akt des Widerstandes gefeiert wird oder die Kriegsverbrechen der israelischen Armee bejubelt werden». Am 7. Oktober 2023 hatte die radikal-islamistische Hamas Israel überfallen und ein Massaker mit rund 1.200 Toten angerichtet.

Bisher habe es im Kontext der Antisemitismusdebatte nur wenige Parteiaustritte gegeben, sagte Brychcy der Deutschen Presse-Agentur. Eine Häufung sei nicht zu beobachten. Einen Rücktritt lehnt Brychcy, die den Landesverband gemeinsam mit Maximilian Schirmer führt, ab. «Die Partei erwartet, dass wir uns jetzt nicht wegducken, sondern Verantwortung übernehmen», sagte sie. Jetzt gehe es darum, der Partei Orientierung zu geben und dafür zu sorgen, dass sie ihrer Rolle als soziale Kraft auch gerecht werde.

Was macht die Fraktion? 

Auch für die bislang 21 Mitglieder zählende Linke-Fraktion im Abgeordnetenhaus, die sich seit der Wiederholungswahl 2023 in der Opposition befindet, sind die Parteiaustritte ein schwerer Schlag. Allerdings deutet der Fraktionsvorsitzenden Tobias Schulze nun an, dass das Quintett weiter in der Fraktion mitarbeiten könnte - die Bereitschaft dazu hatten Lederer & Co. in ihrer Erklärung deutlich gemacht. 

Ob die fünf Politiker in der Fraktion bleiben können und wie die Zusammenarbeit mit ihnen künftig aussehe, müsse in Ruhe beraten werden, sagte Schulze dem RBB. Beschlusslage sei, dass Parteimitglieder, die die Fraktion verlassen, aufgefordert würden, ihr Mandat niederzulegen. Das bedeute aber nicht, dass sie gehen müssten, wenn sie ihr Mandat nicht niederlegten. «Ich persönlich möchte natürlich die Tür offenhalten.» In vielen Grundwerten sei man sich einig. 

Wie wird die Entwicklung in der Berliner Linkspartei von außen gesehen? 

Der Berliner Antisemitismusbeauftragte Samuel Salzborn kritisierte den Umgang der Linken mit dem Thema Judenhass. «Dass jetzt prominente Parteimitglieder, die sich gegen Antisemitismus positionieren, die Partei verlassen, zeigt, dass hier offensichtlich der Kompass einer klaren Haltung gegen Antisemitismus in der Partei verloren gegangen ist», sagte Salzborn der dpa. 

Der Streit in der Partei über Israelhass und Antisemitismus sei mehr als zehn Jahre alt. «Der Berliner Landesverband hat sich bei diesen bundesweiten Debatten lange klar gegen linken Antisemitismus positioniert, auch mit Blick auf die eigene Partei», so Salzborn. «Dass jetzt zahlreiche prominente Mitglieder die Partei wegen Antisemitismus verlassen, zeigt, wie dramatisch die Situation offenbar inzwischen geworden ist — wenn selbst Anträge mit klaren Bekenntnissen gegen Antisemitismus nicht mehr beschlossen werden können.» 

Der Politikwissenschaftler Oliver Lembcke sagte dem RBB, die Linke trudele in die Beliebigkeit. «Lange Phasen der Selbstfindung kann man sich nicht leisten.»

Ist das alles nur ein Problem des Berliner Landesverbands? 

Auch auf Bundesebene und in anderen Linke-Landesverbänden gibt es widerstrebende Positionen im Hinblick auf Judenhass. In Sachsen-Anhalt trat gerade die Landtagsabgeordnete Henriette Quade aus der Partei aus, weil diese aus ihrer Sicht nicht konsequent genug gegen Antisemitismus vorgeht. Die neuen Bundesvorsitzenden Ines Schwerdtner und Jan van Aken schalten sich in den Berliner Streit dem Vernehmen nach vorerst nicht ein, wohl aber der neue Bundesgeschäftsführer Janis Ehling. Er könnte sich an den anstehenden Gremiensitzungen in Berlin beteiligen, hieß es.

Auf einem Bundesparteitag in Halle vor einer Woche beschloss die Linke ein Papier zum Nahost-Konflikt, in dem Antisemitismus und Rassismus verurteilt und ein «sofortiger Waffenstillstand in Israel und Palästina» gefordert werden. «Das Unrecht der Besatzung der palästinensischen Gebiete ist niemals eine Rechtfertigung für den menschenverachtenden Terror der Hamas – und genauso rechtfertigt der 7. Oktober nicht die Völkerrechtsverbrechen der israelischen Armee in Gaza oder im Libanon.»

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