Begleitet von Kritik weiht die evangelische Kirche am Ostermontag die Kapelle im neuen Turm der umstrittenen Garnisonkirche in Potsdam ein. Landesbischof Christian Stäblein wird den ersten Gottesdienst (18.00 Uhr) feiern und die modern gehaltene Kapelle im Erdgeschoss in den Dienst nehmen. Erstmals soll auch die neue Orgel erklingen. Kritiker des Wiederaufbaus der einstigen Militärkirche in Potsdams Innenstadt wollen am Montagnachmittag gegen das Projekt demonstrieren. Die Kirche sieht darin einen wichtigen Ort für Friedensarbeit und Demokratiebildung.
Der erste Gottesdienst in der kleinen Kapelle, die rund 100 Menschen Platz bietet, wird auch live im Internet ab 18.00 Uhr übertragen.
Doch das Projekt ist seit Jahren umstritten. Gegner des Wiederaufbaus sehen in dem historischen Bau ein Symbol des Militarismus und einen Treffpunkt rechtsnationaler Bewegungen in den 1920er und 1930er Jahren. Sie verweisen auch auf den historischen «Tag von Potsdam» im März 1933, als Reichspräsident Paul von Hindenburg vor der Garnisonkirche dem neuen Reichskanzler Adolf Hitler die Hand reichte.
Die Garnisonkirche wurde dann im Zweiten Weltkrieg schwer zerstört und 1968 auf Geheiß der DDR-Führung gesprengt. Gegen den Wiederaufbau wenden sich mehrere Initiativen, darunter auch christliche.
Pfarrer zur Eröffnung der Kapelle: Abgefahrenes Gefühl
Die evangelische Kirche will sich kritisch mit der Geschichte des Ortes und auch den Verbrechen des NS-Regimes auseinandersetzen. Landesbischof Stäblein sagte laut einer Mitteilung kurz vor dem Ostermontags-Gottesdienst: «Gerade heute in dieser so unfriedlichen, von Hass und Populismus erfüllten Welt, brauchen wir diesen Lernort für Demokratie und Frieden. Deshalb bin ich froh, dass wir die Kapelle einweihen.»
Der Pfarrer am Garnisonkirchturm, Jan Kingreen, empfindet die Einweihung auch mit Blick auf etliche Kirchen-Schließungen in Deutschland als besonderes Ereignis. «Es ist ein abgefahrenes Gefühl (...)», weil mehr Kirchen zumachten oder andere Nutzungen für die Gotteshäuser gesucht werden. Kingreen betonte auch, die evangelische Kirche werde nicht zulassen, dass der wieder aufgebaute Garnisonkirchturm Anziehungspunkt für Rechtsextreme werde.
Kritiker wollen Altar lieber im Museum sehen
Kritiker wandten sich auch gegen die Nutzung des historischen Altars - ein schlichter Holztisch -, weil dort Soldaten gesegnet wurden, die dann Kriegsverbrechen verübt hätten. Er gehöre ins Museum, hieß es. Pfarrer Kingreen sagte dazu, an dem Tisch hätten sich «unglaublich viele Menschen schuldig gemacht». Er werde in der neuen Kapelle aber nicht genutzt, um widerrechtliche Kriege zu segnen, sondern um Friedensgebete abzuhalten.
Kompletter Turm soll im Sommer öffnen
Der ganze, fast 90 Meter hohe Turm der Garnisonkirche ist noch nicht fertig. Er soll nach jahrelanger Bauzeit im Sommer öffnen mit Seminarräumen, einer Ausstellung zur Geschichte und einer Aussichtsplattform. Die Kosten betragen laut der Stiftung Garnisonkirche 40,6 Millionen Euro, davon trug der Bund einen großen Teil. Um die Finanzierung hatte es auch Querelen gegeben.
Der wiederaufgebaute Garnisonkirchturm entspricht im äußeren Erscheinungsbild laut Stiftung dem ursprünglichen Barockbau. Das Innere ist neu und modern gestaltet. Die Kapelle soll sowohl für Gottesdienste als auch Konzerte und andere Kulturveranstaltungen genutzt werden. Die neue Orgel ist fahrbar und computergesteuert.
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