Der Berliner Psychiater Andreas Bechdolf befürchtet durch die Legalisierung von Cannabis einen Anstieg an Psychosen bei jungen Menschen. «Ich nehme an, dass der Konsum steigt, wenn Cannabis leichter zugänglich und weniger kriminalisiert wird, und dadurch am Ende auch die Rate derer, die erkranken, zunimmt», sagte der Arzt der Deutschen Presse-Agentur. Bechdolf leitet das Frühinterventions- und Therapiezentrum für junge Erwachsene mit psychischen Erkrankungen im Kreuzberger Vivantes Klinikum Am Urban (Fritz am Urban).
Bereits vor der Legalisierung habe die Zahl der Patienten mit psychotischen Symptomen im Therapiezentrum stark zugenommen, auch im Zusammenhang mit Cannabiskonsum und anderen Suchtmitteln. Von einem deutschlandweiten Trend könne man aber nicht sprechen, meinte Bechdolf. Möglicherweise hänge der Anstieg mit einer gestiegenen Öffentlichkeit für das Thema zusammen.
«Psychotische Symptome treten meistens bei Menschen auf, die regelmäßig kiffen, also mehrmals die Woche und dann auch über längere Zeit, also mehrere Jahre», erklärte der Psychiater. Gefährdet seien vor allem «vulnerable Menschen», die eine genetische Veranlagung für psychische Erkrankungen hätten. «Man spricht dann von einer Psychose, wenn Menschen zum Beispiel jemanden sprechen hören, auch wenn niemand im Raum ist.» Weitere Symptome seien Verfolgungswahn oder das Gefühl, andere Menschen manipulierten die eigenen Gedanken. Üblicherweise trete die Krankheit phasenweise auf, die Phasen könnten einige Wochen oder Monate andauern. «Der Zustand ist für die Betroffenen sehr quälend.»
Junge Menschen besonders gefährdet
Allgemein kommen Psychosen nach Angaben des Chefarztes am häufigsten im Alter zwischen 15 und 25 Jahren vor. Für diese Altersgruppe sei Cannabiskonsum besonders riskant, da das Gehirn noch in der Entwicklung stecke und geschädigt werden könnte. «Wenn man vor dem 15. Lebensjahr anfängt, regelmäßig zu kiffen, ist das Risiko für eine Psychose ungefähr sechsmal höher, als wenn man nicht konsumiert.»
Auch wenn Psychosen insgesamt relativ selten seien - laut Bechdolf sind etwa ein bis zwei Prozent der Bevölkerung betroffen - sollten Jugendliche die Risiken nicht unterschätzen. Viele seien sich der Gefahren nicht bewusst, weil Symptome oft erst nach längerer Zeit einsetzten. Präventionsarbeit und niedrigschwellige Beratungsangebote seien daher sehr wichtig. Je früher Betroffene behandelt würden, umso besser erholten sie sich davon. Mit Therapie und Medikamenten lasse sich die Krankheit gut behandeln.
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