Nach einer vergleichsweise ruhigen Walpurgnisnacht haben am 1. Mai Zehntausende Menschen in Berlin friedlich demonstriert. Allein zur Kundgebung des Deutschen Gewerkschaftsbunds zum Tag der Arbeit kamen nach Angaben der Polizei 14.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer nach Mitte. Dem satirischen Aufruf zur «Razzia im Villenviertel» folgten mindestens 4000 Menschen nach Grunewald. Für den Abend hielten sich indes Tausende Polizisten für mögliche Störungen bei der linksradikalen «Revolutionäre 1. Mai Demonstration» in Neukölln bereit. Nach Hinweisen von Anwohnern entdeckte die Polizei nachmittags Steindepots, wie sie auf der Plattform X mitteilte.
Innensenatorin Iris Spranger (SPD) lobte die Vorbereitung der Polizei. «Die Sicherheit unserer Stadt hat oberste Priorität», erklärte sie auf X und bekräftigte ihre Ankündigung, die Polizei werde konsequent gegen Straftäterinnen und Straftäter vorgehen. Die Polizei teilte mit, sie begleite mit 5600 Kräften insgesamt 19 Versammlungen. Unterstützt werde man von 2400 Polizistinnen und Polizisten aus mehreren anderen Bundesländern. Bereitgehalten wurden auch Einheiten mit Räumfahrzeugen, Wasserwerfer, ein Polizei-Hubschrauber und Lichtmasten zum Ausleuchten der Straßen vor allem in Kreuzberg und Neukölln.
Sorgen machten den Sicherheitsbehörden vor allem mögliche propalästinensische Aktionen mit möglicherweise verbotenen Slogans. Die DGB-Demonstration in Mitte wurde nach Angaben der Polizei zeitweise angehalten, weil dort wiederholt propalästinensische Sprechchöre gerufen und Transparente gezeigt worden seien, meldete die Polizei auf X. Anwohner hätten der Polizei Hinweise auf angelegte Steindepots und eine bereitgelegte Palästina-Fahne in Neukölln gemeldet. Mehrere solche Depots seien gesichert worden.
DGB fordert «Mehr Lohn, Freizeit, Sicherheit»
Tagsüber verliefen die Demonstrationen aber friedlich in teils ausgelassener Stimmung. Der DGB hatte unter dem Motto «Mehr Lohn, Freizeit, Sicherheit» mobilisiert. Insgesamt kamen nach Schätzung des Gewerkschaftsbunds mehr als 41.000 Menschen in Berlin und Brandenburg zu Demonstrationen, Kundgebungen und Familienfesten. Der DGB und die Einzelgewerkschaften warben dabei für bessere Arbeitsbedingungen, mehr Tarifverträge und weniger prekäre Beschäftigung.
Auch Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) sagte am Rande der DGB-Kundgebung vor dem Roten Rathaus, wichtig seien faire Löhne und gute Arbeitsbedingungen, um die Gesellschaft zusammenzuhalten. Der Umbau der Wirtschaft müsse sozial gestaltet werden. «Die Spaltung, die Rechtspopulisten vorantreiben, die Spaltung, die auch andere Kräfte von innen und außen vorantreiben: Von denen dürfen wir uns nicht beeindrucken lassen, sondern wir müssen auf Zusammenhalt setzen und das geht am besten über einen guten Arbeitsmarkt, über eine solidarische Gesellschaft», sagte Wegner.
Feiern in Kreuzberg auch ohne Myfest
In Berlin-Kreuzberg war das lange übliche Straßenfest Myfest auch in diesem Jahr abgesagt worden. Dennoch feierten Zehntausende am Nachmittag des 1. Mai auf den dortigen Straßen und Plätzen. Mit Fahrrädern, zu Fuß und mit U-Bahn strömten vor allem junge Leute ab mittags Richtung Skalitzer Straße, Oranienstraße und Görlitzer Park. Viele Kneipen, Bars und Späti verkauften Getränke und Essen, zum Teil wurde auch Musik gemacht. An vielen Stellen herrschte Partystimmung.
Am Vorabend des 1. Mai waren bei der queer-feministischen Demonstration «Take back the night» bereits mehrere Tausend Menschen durch Friedrichshain gezogen. Obwohl vereinzelt Pyrotechnik und Farbeier auf Polizisten geworfen worden waren, zog die Polizei eine positive Bilanz. Der Einsatz sei gelaufen wie erwartet, sagte Polizeisprecherin Anja Dierschke.
Die Zahl der Demonstrierenden gab die Polizei mit bis zu 2800 an. Acht Menschen wurden vorläufig festgenommen, laut Polizei sieben Männer und eine Frau. Eine Polizeieinsatzkraft habe leichte Verletzungen erlitten. Es gebe fünf Ermittlungsverfahren wegen gefährlicher Körperverletzung, Sachbeschädigung, tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte und Beleidigung.
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