Landkreise in Brandenburg wollen eine möglicherweise lang andauernde Hängepartie bei der einheitlichen Einführung der Bezahlkarte für Asylbewerber nicht abwarten. Notfalls soll das System in Eigenregie kommen, sollte sich die bundesweite Einführung der Karten allzu lange verzögern.
Die Bezahlkarte für Flüchtlinge soll Kommunen entlasten und verhindern, dass Geld an Schleuser fließt. 14 Bundesländer wollen ein einheitliches System einführen. Doch es gibt Probleme. Das bundesweite Vergabeverfahren für den Dienstleister der Bezahlkarte dauert an, weil es im Ausschreibungsverfahren Einsprüche von Unternehmen gibt.
Landkreise erwägen Alleingang wie in Märkisch-Oderland
Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) sagte: «Wenn es zu lange dauern sollte, dann werden andere Landkreise dem Beispiel des Landkreises Märkisch-Oderland folgen. Da gibt es Gespräche.» Welche Landeskreise dies seien, wollte der Regierungschef nicht sagen. Im Alleingang hatte der Landkreis Märkisch-Oderland im Mai die Bezahlkarte ausgegeben.
Woidke sagte zu den Einsprüchen, sollte das Vergabeverfahren vor Gericht gehen, «muss man sehen, wie sich das zeitlich entwickelt». Er wünsche sich die Einführung der Bezahlkarte aber so schnell wie möglich. Sie sei eine wichtige Säule, um irreguläre Migration deutlich zu begrenzen. Im Mai hatte der Vorsitzende des Landkreistages, Landrat Siegurd Heinze (parteilos) aus dem Oberspreewald-Lausitz-Kreis, noch damit gerechnet, dass die Karten ab Herbst ausgegeben werden können.
Die Karte für Leistungen an Asylbewerber soll unter anderem Geldzahlungen an Schleuser oder Familien in den Heimatländern verhindern. Sie soll zudem Kommunen bei der Verwaltung entlasten und den Anreiz für irreguläre Migration senken.
Märkisch-Oderland hat Bezahlkarten seit drei Monaten
Woidke informierte sich in einer Sozialamts-Außenstelle des Landkreises Märkisch-Oderland über die Erfahrungen mit der Bezahlkarte, die dort vor rund drei Monaten eingeführt und an 770 Menschen ausgegeben wurde. Landrat Gernot Schmidt (SPD) bewertete das System als Erfolg.
Die Bezahlkarte wird laut Verwaltung akzeptiert. Klagen dagegen gebe es nicht, hieß es. Zahlungen zum Lebensunterhalt erhalten Asylbewerber in dem Kreis nicht mehr als Scheck, sondern als Guthaben auf der Bezahlkarte. Als Bargeld kann maximal 50 Euro abgehoben werden.
Ziele der Karte seien es, den «Missbrauch von Geld aus dem deutschen Sozialsystem» zu verhindern und auch einen Anreiz dafür zu schaffen, möglichst schnell eine Arbeit aufzunehmen, sagte Woidke. Er sieht auch nach dem Sozialgerichts-Urteil aus Hamburg zur Bezahlkarte für Geflüchtete keinen Grund zum Umsteuern.
Brandenburg sieht nach Urteil keinen Grund für Umdenken
Das Gericht entschied, dass starre Bargeldobergrenzen auf der Bezahlkarte nicht geeignet sind, um den Mehrbedarf beispielsweise von Schwangeren oder Familien mit Kleinkindern zu decken. Die für die Karte zuständige Sozialbehörde müsse die persönlichen Lebensumstände der Antragstellenden berücksichtigen.
«Es gibt ja diese starren Bargeld-Obergrenzen nicht», sagte Woidke. Es könne Gründe geben, im Einzelfall davon abzuweichen und Regelungen zu finden, beispielsweise wenn eine Schwangere einen Kinderwagen im Gebrauchtwarenladen kaufen wolle und mehr als 50 Euro in bar benötige.
Wenn ein Asylbewerber stichhaltige Argumente dafür habe, dass ein Bargeldbetrag von 50 Euro im Monat nicht ausreiche, dann werde das geprüft, sagte auch das Sozialamt des Landkreises. Bislang habe es einen solchen Fall gegeben.
Landrat Schmidt sagte, zudem sei es auch ein Vorteil, dass der Landkreis nun einen Einblick in die Kontoführung und die Vermögensverhältnisse von Asylbewerbern habe. «Wenn das Vermögen eines Asylbewerbers gewisse Obergrenzen überschreitet, zahlen wir weniger Geld aus.»
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