Die Berliner AfD zieht mit Spitzenkandidatin Beatrix von Storch in den Wahlkampf für die Bundestagswahl 2025. Auf einem Parteitag in Jüterbog (Teltow-Fläming) votierten rund 87 Prozent für die 53-jährige Bundestagsabgeordnete. Sie erhielt 236 Ja-Stimmen bei 27 Nein-Stimmen und 7 Enthaltungen.
Von Storch, die im Bundestag stellvertretende Fraktionsvorsitzende ist, führte die Berliner AfD bereits 2017 und 2021 in den Bundestagswahlkampf. Bei der Bundestagswahl 2021 (inklusive Teilwiederholung 2024) kam die Partei in Berlin auf 9,4 Prozent der Zweitstimmen.
Die AfD hielt ihren Parteitag in Jüterbog rund 60 Kilometer südlich von Berlin ab, weil sie in der Hauptstadt keine Räumlichkeiten fand. Aus Protest gegen die Veranstaltung zog eine Demonstration mit Hunderten Menschen zum AfD-Versammlungsort, der städtischen Wiesenhalle.
Bündnis gegen Rechts demonstriert
Auf Transparenten war zu lesen «Kein Raum der AfD. Kein Raum für rechte Hetze» oder «Alle zusammen gegen den Faschismus». Demonstranten riefen Slogans wie «Jüterbog ist gerne bunt, AfD halt den Mund».
Zum Protest aufgerufen hatte ein Bündnis gegen Rechts, das von bis zu 600 Teilnehmern sprach. Die Polizei nannte keine Zahl. Dem Bündnis gehören Bürgerinitiativen, Gewerkschaften, Jugendorganisationen von Parteien und Berliner Antifa-Gruppen an. Ein Sprecher bezeichnete die Demo als starkes Signal gegen Rechtsextremismus.
Spitzenkandidatin wähnt sich im Kulturkampf
Von Storch sieht die Bundestagswahl am 28. September 2025 als «Kulturkampf», wie sie auf dem Parteitag sagte. «Wir stehen vor der Alternative einer links-woken Kulturrevolution oder einer geistig-moralischen Wende», meinte sie. «Unsere Werte, die wir lieben, an die wir glauben, für die wir kämpfen, sind Gott, Freiheit, Familie und Vaterland», so von Storch. «Diese Werte wieder in Deutschland zu verankern, das ist die geistig–moralische Wende.»
Und die Politikerin formulierte noch ein Ziel: «Grün ist am Boden, die Ampel am Boden. Und als Nächstes überflügeln wir die CDU, übernehmen die Regierung.» Auf Listenplatz zwei wählte die AfD wie 2021 den Bundestagsabgeordneten Gottfried Curio, auf Platz drei Ronald Gläser, der momentan im Berliner Abgeordnetenhaus sitzt.
AfD geht mit breiter Brust ins Wahljahr
Auf dem Parteitag wurde deutlich, dass die AfD mit viel Selbstbewusstsein in das Wahljahr 2025 geht. Redner verwiesen auf Erfolge der Partei bei den jüngsten Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg, wo sie jeweils um die 30 Prozent erreichte, oder bei der Europawahl im Mai, wo sie mit bundesweit 15,9 Prozent zweitstärkste Kraft wurde.
«Wir sind die einzige echte und schlagkräftige Opposition in den deutschen Parlamenten», sagte die Berliner Landesvorsitzende Kristin Brinker. Die AfD sei in den östlichen Bundesländern zur Volkspartei aufgestiegen. «Wir sind die Stimme der Ostdeutschen.»
Brinker attackiert Berliner Regierungschef
Scharfe Kritik übte Brinker an der schwarz-roten Koalition in Berlin mit dem Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU). «Wegner hat nichts von seinen Versprechungen eingelöst.»
So seien innerhalb von 14 Tagen nach wie vor keine Bürgeramtstermine zu bekommen. «Busse und Bahnen werden unpünktlicher, voller, schmutziger», sagte Brinker. Polizisten und Rettungskräfte würden weiterhin angegriffen, Zehntausende Wohnungen fehlten. «Ungesteuerte Migration» bringe Konflikte in die Stadt, die nicht zu lösen seien.
Brandenburgs AfD-Chef René Springer bezeichnete es als «Schande», dass die Berliner AfD für einen Parteitag und ihre Willensbildung in das Nachbarbundesland ausweichen müsse. In seiner Gastrede wetterte er gegen Zuwanderung. «Wir wollen diesen Alptraum beenden.»
AfD stellt Recht auf Asyl infrage
In einem Antrag für den zweiten Teil des Parteitages am Sonntag erklärt die Berliner AfD die deutsche Migrationspolitik für gescheitert. Um das gesellschaftliche Gleichgewicht und den sozialen Frieden «wiederherzustellen», seien konsequente Maßnahmen zur Begrenzung irregulärer Migration nötig.
Aus Sicht der AfD sollte das individuelle Recht auf Asyl nur unter engen Voraussetzungen gewährt werden. Nötig seien ein effektiver Schutz der Binnen- und EU-Außengrenzen und eine Auslagerung von Asylverfahren in sichere Drittstaaten außerhalb der EU.
Der gesetzliche Anspruch auf Einbürgerung in Deutschland solle zugunsten von Einzelfallentscheidungen abgeschafft werden, heißt es in dem Papier weiter. Gefordert werden zudem der sofortige Stopp von Sozialleistungen für abgelehnte Asylbewerber und ausreisepflichtige Menschen. Die Kapazitäten von Abschiebehaftanstalten und Abschiebegewahrsam in Berlin müssten deutlich erhöht werden.
Parteiloser Bürgermeister findet AfD gut
Jüterbogs Bürgermeister Arne Raue hieß die AfD in einem Grußwort zu Beginn des Parteitags herzlich willkommen: «Die blaue Farbe ist für mich hier schon ein gewohntes Bild, mein Herz schlägt dabei voller Freude», sagte der parteilose Politiker, in dessen Stadt zuletzt auch die Brandenburger AfD mehrfach tagte.
Die AfD sei die einzige Partei, «die das Grundgesetz schätzt», hieß es in seiner vom Parteitag regelrecht bejubelten Rede, in der er Zuwanderung von Flüchtlingen seit 2015/16 als Katastrophe bezeichnete. Raue wurde von anderen Parteien schon mehrfach Nähe zur AfD vorgeworfen. Brinker überreicht ihm als Dankeschön für seine Gastfreundschaft einen Präsentkorb mit Berliner Produkten.
Copyright 2024, dpa (www.dpa.de). Alle Rechte vorbehalten