Deutsche Organisationen mit Osteuropa-Fokus werden zunehmend zum Ziel von Ausspähmanövern russischer Geheimdienst - nicht nur im Cyberraum. «Dass auch Wissenschaftler und ihre Organisationen hier in Deutschland ins Visier russischer Dienste geraten, ist eine neue Entwicklung», berichtet der Vorstandsvorsitzende des Akademischen Netzwerks Osteuropa (Akno), Philipp Schmädeke, der Deutschen Presse-Agentur. Vor 2021 habe diese Form der Repression vor allem Oppositionelle im Exil sowie Journalistinnen und Journalisten betroffen, jetzt auch Forscher.
Einbrüche und Cyberangriffe
«Bei einer unserer Partnerorganisation wurde dreimal eingebrochen», sagt der Vorsitzende des in Berlin ansässigen Netzwerks. Gegen Akno habe es bereits zwei Cyberangriffe gegeben. Diese Hackerattacken habe man allerdings erfolgreich abwehren können, «da wir mit so etwas gerechnet hatten». Das Netzwerk, das nach eigenen Angaben in den vergangenen vier Jahren 1.200 Menschen aus Russland, Belarus und der Ukraine finanziell unterstützt hat, geht laut Schmädeke davon aus, dass ein russischer Geheimdienst hinter den Cyberangriffen steckt. Das nachzuweisen sei natürlich schwierig, räumt er ein.
Verdächtige Person
«Das Gleiche gilt, wenn - wie schon geschehen - ein Mensch, der nicht zu unserem Netzwerk gehört, mehrfach im Umfeld von nicht öffentlich angekündigten Treffen, die wir organisieren, auftaucht», sagt Schmädeke. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Russland und Belarus, die Akno unterstützt, mussten ihre Heimat aufgrund von Verfolgung, Berufsverboten oder Ähnlichem verlassen.
Forscher aus der Ukraine, denen der Verein hilft, kamen aufgrund des Krieges nach Deutschland, einige aus den von Russland besetzten Gebieten auch aufgrund von Repressionen. Das Netzwerk bemüht sich, Kontakte zwischen den Wissenschaftlern und verschiedenen deutschen Universitäten zu knüpfen. Doch Berlin bleibt der Ort in Deutschland, an den es die meisten von ihnen zieht - weil Bekannte oder Verwandte schon dort leben.
Ende März war eine mutmaßlich aus Russland gesteuerte Cyberattacke auf die Deutsche Gesellschaft für Osteuropakunde (DGO) bekanntgeworden. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) und das Bundesamt für Verfassungsschutz sind in die Analyse des Vorfalls involviert. Auch Akno hatte schon Kontakt mit den Sicherheitsbehörden.
Netzwerk gilt in Russland als «unerwünscht»
Die DGO ist von den russischen Behörden als «extremistische Organisation» eingestuft worden, wogegen das Auswärtige Amt protestiert hat. Akno gilt in Russland seit Dezember 2023 als «unerwünschte ausländische Organisation». Seither ist dem Verein jegliche Tätigkeit in Russland untersagt.
Treffen und Kommunikation absichern
«Wir betreiben viel Aufwand, was Sicherheitsfragen angeht», berichtet der Vorsitzende. Dabei gehe es auch darum, Mitarbeitende zu schützen, die teils keine deutschen Staatsbürger sind. Der Sicherheitsaufwand sei nötig, binde aber Ressourcen, die das Netzwerk lieber für andere Zwecke einsetzen würde. Auch schränke diese Form der Repression Akno in seiner Öffentlichkeitsarbeit ein. Schmädeke sagt, von Universitäten und anderen Institutionen wünsche er sich manchmal mehr Solidarität - «so meiden etwa einige deutsche Universitäten den öffentlichen Kontakt mit der Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde, seitdem diese von Russland als sogenannte extremistische Organisation eingestuft wurde».
Wie lang der Arm des russischen Geheimdienstes sein kann, zeigte sich am 23. August 2019 in Berlin, als der ehemalige Kommandeur einer tschetschenischen Miliz ermordet wurde. Der Russe, der in der Nähe des Tatorts festgenommen und später zu lebenslanger Haft verurteilt wurde, kam am 1. August 2024 durch einen Gefangenenaustausch frei.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz warnte kürzlich: «Die Gefahren durch Spionage, Sabotage und Desinformation sind mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine seit 2022 stark gestiegen.» Die Hemmschwelle für Aktionen gegen Deutschland sei auf russischer Seite gesunken.
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